Rundbrief: Träume werden manchmal Wirklichkeit!

„Mein Traum? Ich will in einer eigenen Wohnung wohnen, mit eigenem Tisch und eigenen Stühlen. So wie ich Lust hab“, sagt Sweta in unserem Film „HEIM WEH“, den wir vor elf Jahren über unsere Arbeit in Russland gedreht haben und den Sie sich auf unserer Homepage anschauen können. Doch für ihren Traum gab es im Erwachsenenheim in Peterhof nie Platz.

Liebe Freundinnen und Freunde von Perspektiven!

Bis heute sind diese staatlichen Heime, Psychoneurologische Internate genannt, Orte der Verbannung, der Verwahrung, des Mangels an allem Menschlichen jenseits biologischer Bedürfnisse. Hier bleiben die Bewohnerinnen und Bewohner, in Einheitspyjamas und mit Medikamenten ruhiggestellt, sich selbst und der endlosen Langeweile überlassen.

Doch dann hat Perspektivy im Februar unser Quartier für betreutes Wohnen in St. Petersburg eröffnet, von dem wir Ihnen im letzten Rundbrief berichteten. Das wirklich Besondere an dieser Wohnung ist nicht so sehr, dass Dima, Kirill, Sascha, Vitalij, Bogdan und eben Sweta dort rund um die Uhr gut betreut werden, dass sie lernen selbstständiger zu werden, sie ein eigenes Zimmer haben, Ausflüge machen, Feste feiern, arbeiten gehen, ein relativ normales und gutes Leben führen können. Dafür sind solche betreuten Wohnplätze schließlich da.

Das Besondere an dieser Wohnung ist, dass es sie gibt. Und was für einen Unterschied sie für die Bewohnerinnen und Bewohner macht. Mit Ausnahme von Bogdan, der zuvor in seiner Familie lebte, kommen alle aus dem Heim in Peterhof. Säuglingsheim, Kinderheim, Erwachsenenheim – das sind die Stationen ihres bisherigen Lebens. Und nicht nur bei Sweta gab es immer diesen Traum von den eigenen vier Wänden. Nun ist dieser Traum tatsächlich in Erfüllung gegangen - für Menschen, von denen niemand geglaubt hat, dass sie ein selbstständiges Leben führen könnten und die dessen auch nicht für Wert befunden wurden. Jetzt sind sie in der Stadt unterwegs, kaufen Kleidung, die ihrem Geschmack entspricht, bereiten ihr eigenes Essen zu. Und sie machen sich Gedanken über ihren Tag und ihre Zukunft, die es vorher einfach nicht gab.

Diese so wichtige Wohnung konnten wir in diesem Jahr mit 50.000 Euro fördern – Dank Ihrer Spenden, liebe Freundinnen und Freunde von Perspektiven.

Es war ein großer Schritt, sie aus dem Heim zu holen. Perspektivy musste damit die ganze Verantwortung für diese Menschen übernehmen. Sie können nicht zurück ins Heim, die Warteschlangen dort sind lang, und sonst gibt es keine Alternativen für Menschen, die sich nicht um sich selbst kümmern können und niemand haben, der das für sie tut. Das betrifft alte, kranke oder Menschen mit einer Behinderung. Auch die Kriegsversehrten, die aus der Ukraine zurückkehren, füllen zunehmend die riesigen Internate.

Doch das war schon immer unsere Strategie: etwas neues ausprobieren, Verantwortung übernehmen für konkrete Menschen, zeigen wie Verbesserung möglich ist, Modelle für mehr Selbstständigkeit und Teilhabe entwickeln. Und dann einfordern, dass sie übernommen und integriert werden, damit sich für alle etwas verbessert.

Und so kämpfen Perspektivy mit ihrer Leiterin Maria Ostrovskaya als Mitglied einer Arbeitsgruppe des Arbeitsministeriums für Regeln für das Betreute Wohnen von Menschen mit Behinderungen in ganz Russland. Gerade ging es zum Beispiel darum, auszuschließen, einer Person das betreute Wohnen zu verweigern, wenn eine Behörde die Entscheidung für eine stationäre Unterbringung trifft. Das einzige Kriterium für die Wahl einer betreuten Unterbringung soll der Wunsch der betroffenen Person sein, sofern sie sich nicht selbst versorgen kann.

Seit dem Beginn des Krieges Russlands gegen die Ukraine haben wir uns auch immer wieder gefragt, wie wir Menschen in der Ukraine unterstützen können. Unsere Petersburger Partnerinnen haben uns darauf hingewiesen, dass es für sie eine Gefahr darstellen könnte, wenn wir in der Ukraine aktiv werden. Es könnte dazu führen, dass Russland unsere Unterstützung für Perspektivy aus Deutschland nicht mehr duldet und Perspektivy zum ausländischen Agenten erklärt. Weil wir auf keinen Fall ein Risiko für die Arbeit in Russland eingehen wollen, haben wir uns entschieden, die Arbeit des Upsala Zirkus in Zeitz, im Süden von Sachsen-Anhalt zu unterstützen

Manche von Ihnen erinnern sich bestimmt an den Kinderzirkus, der vor knapp 25 Jahren in St. Petersburg begann, Straßenkindern eine Perspektive anzubieten. Wir haben Upsala viele Jahre gefördert. Im letzten Jahr ist ein Teil des Zirkus nach Deutschland geflohen, darunter die Leiterin Larisa Afanaseva und ein Teil der Trainer - aus Angst vor politischer Verfolgung oder der Einberufung zum Kriegsdienst. In Zeitz hat der Zirkus ein neues Zuhause gefunden und arbeitet vor allem mit geflüchteten Kindern aus der Ukraine. Täglich gibt es ein kostenloses Training, die Kinder lernen Jonglieren, schlagen Purzelbäume und ihre Eltern freuen sich, dass sie Kinder sein dürfen.

Wir fördern die Arbeit von Upsala mit ukrainischen Flüchtlingskindern in diesem Jahr mit 2.000 € und versuchen den Zirkus auch im nächsten Jahr zu unterstützen.

Wie gut wir im nächsten Jahr den Menschen in Russland helfen können, wissen wir noch nicht. Wir spüren, dass die Bereitschaft, für unsere Arbeit zu spenden zurückgeht, Stiftungen haben ihre Förderung für Russland eingestellt. Vielleicht war es noch nie so wichtig, das so sehr unter Druck geratene zivilgesellschaftliche Engagement in Russland zu unterstützen. So empfinden wir es hinsichtlich der Fortsetzung unserer deutsch-russischen Zusammenarbeit. Aber das können wir nur gemeinsam mit Ihnen leisten, verehrte Förderinnen und Förderer unserer Arbeit.

Wir danken Ihnen herzlich für Ihre Unterstützung in diesem Jahr und bitten Sie, unserer Arbeit in Russland gewogen zu bleiben.

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Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr wünschen wir Ihnen!


Ihr Thomas Seifert


Geschäftsführer von Perspektiven e.V.

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Auch in St. Petersburg hinterlässt der Krieg in der Ukraine seine Spuren. Darüber berichten wir in unserem Juni-Rundbrief. Für Perspektivy ist es eine schwierige Zeit. Die Hilfe aus Deutschland bleibt wichtig.

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Rundbrief: 25 Jahre Freiwilligenaustausch

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