Rundbrief: Impfung gegen die Niedergeschlagenheit

Lange Zeit war es gute Praxis, dass sich unser Vereinsvorstand jedes Jahr mit der Leitung unserer Petersburger Partnerorganisation Perspektivy zu einem Fachgespräch getroffen hat. Die Treffen fanden abwechselnd in Berlin und St. Petersburg statt - bis 2019. Dann kam Corona, und dann kam der Krieg. Und schließlich kam der Mai 2023, und wir konnten unsere Petersburger Freundinnen endlich wieder in Berlin begrüßen.

Liebe Freundinnen und Freunde von Perspektiven!

Derzeit führt eine Flugreise von St. Petersburg nach Berlin meist über Istanbul. Das ist aufwendiger und teurer als der Direktflug, aber so konnten wir uns mit fünf Vertreterinnen von Perspektivy Anfang Mai über die aktuelle Situation in Russland und Deutschland austauschen: Wie geht es uns allen persönlich? Wie steht es momentan um Perspektivy als zivilgesellschaftliche Organisation? Wie ist die Stimmung in Deutschland gegenüber Russland?

Es sind schwere Zeiten für die Petersburgerinnen. Nicht sagen dürfen, was man denkt, nicht tun dürfen, was man für richtig hält. Familienmitglieder und Freunde haben das Land verlassen, manche sitzen sogar im Gefängnis. „Gegen den Strom schwimmen“ war schon immer Teil des Alltags für unsere Partnerinnen in Russland. Doch die Strömung hat deutlich zugenommen.

Wir haben uns auch intensiv zu den einzelnen Projekten ausgetauscht. Was läuft gut, wo liegen Herausforderungen, wie können wir weiterhin konkret unterstützen?

Zudem bot sich die Gelegenheit, verschiedene Organisationen und Einrichtungen der Behindertenhilfe in Hamburg zu besuchen. Im Sozialkontor standen neue inklusive Wohnangebote für Menschen mit Behinderungen und die Nachmittagsbetreuung an Hamburger Förderschulen auf dem Programm. Schon seit rund 20 Jahren besteht ein vielfältiger fachlicher Austausch mit dem Sozialkontor. Die Freude über das Wiedersehen mit Kolleginnen und Kollegen war groß.

Wir hörten einen Vortrag von zwei Frauen, die in einem deutschlandweiten Pilotprojekt am Krankenhaus Alsterdorf Menschen mit Behinderungen bei ihrem Krankenhausaufenthalt betreuen. Dieses Thema ist für die Petersburgerinnen sehr präsent, denn immer wieder kommen Bewohnerinnen und Bewohner aus den Heimen in Pawlowsk oder Peterhof ins Krankenhaus. Sie dabei zu begleiten, kann für diese überlebenswichtig sein, denn in der Regel berücksichtigt dort niemand deren besondere Bedürfnisse.

Es waren inspirierende fachliche Kontakte, eine große Bereicherung für alle, und es war eine Freude zu sehen, mit welcher Offenheit und Wertschätzung die Referentinnen und Referenten den Petersburgerinnen begegneten und ihre wertvollen Erfahrungen mit ihnen teilten. Nicht zuletzt ist es uns gelungen, sie für einen Augenblick aus dem Strom zu ziehen, gegen den sie unablässig schwimmen. So schrieb Katja, die Geschäftsführerin von Perspektivy, nach ihrer Rückkehr: „Das war so notwendig und inspirierend! Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt mehr Kraft habe, mich unseren Problemen zu stellen. Diese Reise nach Deutschland und die Begegnung mit euch war wie eine Impfung gegen die Niedergeschlagenheit!“

Ähnlich wirken auch die Besuche von Freiwilligen, die wir seit 27 Jahren zu Perspektivy entsenden. Corona hatte dieser Praxis ein vorläufiges Ende gesetzt, der Jahrgang, der dann im September 2021 ausreiste, musste Russland gleich nach Kriegsbeginn wieder verlassen. Seither ist es schwierig, Menschen zu finden, die Interesse an einem Dienst haben. Aber es gibt sie! So konnten wir im Februar Elisabeth nach St. Petersburg entsenden, wo sie für vier Wochen die Arbeit im Kindertageszentrum unterstützte. Bis Ende Juni ist jetzt Theresa vor Ort.

Für den Sommer haben wir unter den ehemaligen Freiwilligen nachgefragt, ob sie für ein paar Wochen nach Russland kommen und Zeit mit den Menschen verbringen möchten, die sich über ihre Begleitung bei Aktivitäten, in Sommerlagern oder beim Spazierengehen sehr freuen würden. Es gab schon einige positive Rückmeldungen.

Sehr positiv sind auch die Rückmeldungen der sechs Bewohnerinnen und Bewohner der betreuten Wohnstätte, die Perspektivy am 25. Februar in St. Petersburg eröffnen konnte. Es ist bereits die vierte Wohnung, in der Menschen mit Behinderungen mit Unterstützung durch Personal und Freiwillige selbständig leben können.

"Was passiert hier eigentlich?“, fragte Maria Ostrovskaya, die Präsidentin von Perspektivy, in ihrer Eröffnungsrede. „Ein paar neue Mieter ziehen ein. Und das ist beachtlich, denn in dieser Wohnung werden Menschen wohnen, die früher in Psycho-Neurologischen Internaten lebten. Allmählich entwickelt sich in unserer Stadt und unserem Land ein Prozess, bei dem wir dafür sorgen, dass diese Menschen unter den gleichen Bedingungen leben können wie wir. Bislang ist das eine Innovation - deshalb sind wir hier. Wir geben der Gesellschaft eine neue Erfahrung und geben Tausenden von Menschen, die noch in Heimen leben, Hoffnung."

Perspektiven unterstützt das Projekt in diesem Jahr mit 50.000 Euro. Im Wesentlichen wird damit das Personal finanziert.

Wir bitten Sie um Ihre Hilfe dabei. Momentan haben wir kaum noch Fördermöglichkeiten durch Stiftungen, öffentliche Gelder gibt es für die Russlandarbeit nicht mehr. Unsere finanzielle Unterstützung für die Projekte in St. Petersburg speist sich fast ausschließlich aus Ihren Spenden, liebe Freundinnen und Freunde von Perspektiven.

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Wir danken Ihnen herzlich dafür!

Ihr Thomas Seifert

Geschäftsführer von Perspektiven e.V

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